Eine Schülerrezension zur Aufführung der Leipziger Kulturschule
Die Tragödie „Faust. Der Tragödie erster Teil“, geschrieben von Johann Wolfgang von Goethe und uraufgeführt am 19. Januar 1829, gehört für viele zur Allgemeinbildung in Deutschland. Zum Inhalt: Im Drama geht es um den Gelehrten Heinrich Faust, der auf den ersten Blick alles erreicht hat, wobei aber sein tiefgreifender Erkenntnisdrang schließlich dazu führt, dass er einen Pakt mit dem Teufel Mephistopheles eingeht, welcher sein gesamtes Leben völlig auf den Kopf stellt. Zur Aufführung des Klassikers trat am 4. Dezember 2024 das Theaterduo Daniela und Günther Frese von der Leipziger Kulturschule an der Wilhelm-von-Oranien-Schule auf, welches ihre Inszenierung der Tragödie der Jahrgangsstufe Q3 präsentierte, die die Lektüre im Unterricht gerade bearbeitet hatte.
Zu Beginn des Theaterstücks stellte sich das Duo kurz vor und verknüpfte dies bereits mit der bevorstehenden Inszenierung. Sie betonten, dass sie zu zweit mehrere verschiedene Rollen spielen werden, wobei sie dies mit einer ausgedachten Geschichte begründeten, dass die dritte Schauspielerin unerwartet schwanger sei und deshalb kurzfristig nicht kommen könne. Im Anschluss darauf nahm die Inszenierung ihren Lauf, wobei das Schauspiel mehrmals durch das Duo selbst unterbrochen wurde, um die Geschichte mit der fehlenden Schauspielerin weiterzuerzählen.
Das Bühnenbild gestaltete sich äußerst schlicht. Die Bühne umfasste lediglich eine schwarze Wand in der Mitte, die als „Off“ fungierte, um dem Duo die Möglichkeit zu bieten, sich umzuziehen oder diverse Requisiten zu holen.
Gelungene Aspekte der Inszenierung
Die Monologe und Dialoge der Figuren waren nah am Originaltext, wodurch die klassische „Faust-Atmosphäre“ aus Goethes Zeit spürbar wurde. Des Weiteren lässt sich positiv anmerken, dass Leerstellen beziehungsweise aus Zeitgründen geraffte Szenen erklärt wurden, was hierbei eine positive Auswirkung auf das generelle Verständnis der Tragödie hatte, sofern man diese nicht bereits kannte. Jede Rolle hatte mindestens ein kennzeichnendes Requisit beziehungsweise Merkmal, wodurch man immer wusste, welche Rolle gerade von welchem Schauspieler gespielt wird.
Kritik
Zunächst lässt sich sagen, dass diese Inszenierung insofern mit der eigentlichen Aussageabsicht der Tragödie wenig zu tun hatte, da die zwei zentralen Teile, die Gelehrten- und Gretchentragödie, kaum erkennbar waren und man gemerkt hat, dass Goethes „Faust“, wenn überhaupt, nur oberflächlich angekratzt wurde.
Die Begründung, dass ein Theaterspiel zeitlich begrenzter ist, ist hierbei nicht sonderlich aussagekräftig, da bei der Inszenierung viel Zeit damit verschwendet wurde, die ausgedachte Geschichte der fehlenden dritten Schauspielerin in den Vordergrund zu rücken. Auch ohne diese Geschichte konnte man durchaus verstehen, dass ein Theaterduo, welches aus nur zwei Schauspielern besteht, begrenzte Möglichkeiten hat und demnach verschiedene Figuren von einem Schauspieler gespielt werden müssen. Das übermäßige Betonen dieses Aspekts hat jedoch jegliche Atmosphäre der Inszenierung, wenn überhaupt eine entstanden ist, unterbrochen und immer wieder zerstört.
Auch der eigens formulierte Anspruch der Schauspieler, die Tragödie „Faust“ nicht genau nacherzählen zu wollen, ist angesichts der zeitlichen Dimensionen eine Selbstverständlichkeit. Daher sollten eher die essenziellen Aspekte der Tragödie aufgegriffen werden, um eine sinnige und zusammenhängende Geschichte zu spielen, was bei dieser Inszenierung jedoch nicht gegeben war, da es eher den Anschein einer Collage aus verschiedenen Szenen machte, welche nicht direkt miteinander in Verbindung stehen. Dies führte letztendlich dazu, dass man den Faden verlor und nach den zahlreichen Unterbrechungen nicht mehr die Kraft hatte, die Geschichte an sich nachzuvollziehen und zu verstehen.
Bezüglich des Unterhaltungswerts lässt sich sagen, dass mehrfach der Versuch gestartet wurde, das Publikum einzubeziehen, was jedoch selten gelang und die Atmosphäre beeinträchtigte, da manche Szenen von der Beteiligung des Publikums abhingen und anscheinend nicht über eine Alternative nachgedacht wurde, wenn die Interaktion weniger glückte, als ursprünglich erwartet wurde.
Zuletzt ist anzumerken, dass das Theaterduo laut eigener Aussage versucht hat, die Tragödie in eine Komödie zu verwandeln. Auch dieser Ansatz ist nicht sonderlich erfolgreich gewesen, da Goethes „Faust“ nicht umsonst als Tragödie geschrieben wurde und das tragische Geschehen demnach nicht ohne erhebliche Modifikationen einfach „lustig“ erzählt werden kann.
Bei der Bühnengestaltung bestand das Problem nicht darin, dass das Bühnenbild sehr simpel gehalten war, sondern vielmehr darin, dass die technischen Möglichkeiten nicht sonderlich genutzt wurden: Es war dauerhaft der gesamte Saal voll beleuchtet, was demnach zu keiner düsteren Atmosphäre führen konnte, wenn beispielsweise der Teufel Mephistopheles auf die Bühne kam. Im Gegenteil wurde stattdessen überhaupt keine Atmosphäre geschaffen und auch die Sprechlautstärke ließ, durch das schlecht eingestellte Mikrofon, teilweise zu wünschen übrig.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Theaterduo das Ziel hatte, Goethes „Faust“ dem jugendlichen Publikum möglichst spannend zu präsentieren, um so zu zeigen, dass auch die alten literarischen Werke heute noch interessant und spannend sein können.
Die Inszenierung hat zwar vereinzelte Stellen aus Goethes „Faust“ gut umgesetzt und erklärt, welche beim Lesen durchaus zu Verständnisproblemen geführt haben, jedoch bin ich trotzdem der Meinung, dass die Mehrheit des Publikums nach der Inszenierung eher abgeschreckt gewesen wäre, sich mit der Tragödie zu beschäftigen, wenn die Lektüre nicht vorher schon im Unterricht behandelt worden wäre.
Die Schule dankt dem Förderverein Wilhelms Freunde für die anteilige Finanzierung der Aufführung, sodass der Teilnahmebeitrag sich für die Schülerinnen und Schüler deutlich reduzierte.
„Hin zum Wesentlichen“
Eine Schülerrezension zur Aufführung der Leipziger Kulturschule
„Hin zum Wesentlichen“, so lautete das Leitmotiv der „Faust“-Aufführung der Leipziger Kulturschule im Atrium der WvO, doch ob man diesem Anspruch gerecht werden konnte, blieb fraglich.
Ein weiblicher und ein männlicher Schauspieler wirkten an der Darstellung mit und deckten somit alle Rollen ab, welchen mit einer überschaubaren Anzahl provisorischer Requisiten Charakter verliehen wurde.
Die Aufführung war gekennzeichnet von Unterbrechungen, in welchen sich die beiden Schauspieler über die Darstellung einzelner Szenen stritten. Dabei ging es um eine fiktive Schauspielerin, deren vermeintliche Abwesenheit einige Schwierigkeiten in der Rollenbesetzung mit sich brachte. Darüber hinaus nutzten sie diese Pausierungen des eigentlichen Stücks auch, um einige Szenen erzählerisch kurz zusammenzufassen und somit in den nächsten gespielten Abschnitt überzuleiten.
Abgesehen von diesen Zwischenstopps hielten sich die Darsteller die meiste Zeit nah am Originaltext des Dramas, wobei die korrekte chronologische Anordnung der Szenen nicht allzu genau genommen wurde. An zwei Stellen banden die Schauspieler auch direkt das Publikum mit ein, welches jedoch eher verhalten reagierte.
Positiv anzumerken ist, dass durch das spärliche Bühnenbild, die schon angesprochene Reduktion von Requisiten und die generell „freiere“ Interpretation des Dramas den Zuschauern die Möglichkeit gegeben wurde, ihrer eigenen Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen. Auch das Stilmittel der Desillusionierung stellte an sich keinen schlechten Ansatz dar, jedoch vor dem Hintergrund, dass das Motto der Aufführung „Hin zum Wesentlichen“ lautete, sorgten die intervallisch auftretenden Unterbrechungen des Stücks vielmehr für Verwirrung und Unübersichtlichkeit. Oft wurden Szenen übertrieben albern aufbereitet, was im Nachgang mit der Argumentation begründet wurde, dass man so das Stück auflockern und es für das jüngere Publikum interessanter machen wolle; allerdings erschien es in Anbetracht der literarischen Bedeutung von „Faust“ unangebracht, diesem Drama so die Würde zu nehmen. Denjenigen Zuschauern, welche „Faust“ zuvor noch nicht gelesen hatten, war mit dieser Aufführung leider nicht allzu sehr geholfen, da es aufgrund der genannten Umstände schwer gemacht wurde, den Gesamtzusammenhang der einzelnen Szenen nachzuvollziehen.
Letztendlich scheiterte die Aufführung nicht an der gewählten Darstellungsform und auch nicht an dem Leitmotiv, jedoch an der unglücklichen Kombination dieser beiden Aspekte, sodass man nicht von einer besonders gelungenen Darbietung der Tragödie reden kann.