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Bordeaux und die Aquitaine im Zweiten Weltkrieg

Gerhard Bökel referiert vor WvO-Abiturienten

Dem Vortrag eines ganz besonderen Referenten durften die angehenden Abiturienten der Wilhelm-von-Oranien-Schule (WvO) am Dienstag beiwohnen. Mit Gerhard Bökel war nicht nur der ehemalige Landrat des Lahn-Dill-Kreises (1985-1994) und einstige hessische Innenminister (1994-1999) unter Regierungschef Hans Eichel zu Gast im Atrium des Dillenburger Gymnasiums. Denn der 76-Jährige, der aus Nordhessen stammt, in Gießen studiert hat und mittlerweile in Frankfurt/Main und Avignon lebt, ist zudem ein ausgewiesener Kenner der deutsch-französischen Beziehungen.

Vor dem Q4-Jahrgang der WvO las der ehemalige Rechtsanwalt aus seinem Werk „Bordeaux und die Aquitaine im Zweiten Weltkrieg: Nazi-Besatzung und Kollaboration, Widerstand der Résistance und bundesdeutsche Nachkriegskarrieren“.

Bei der Themenfindung half dem einstigen SPD-Politiker der Zufall – und die Verpflichtungen, die ein spätes Studium mit sich bringen. „Ich habe einen Wohnsitz in Avignon und mit über 60 Jahren noch einmal angefangen, an einer Universität Französisch zu lernen. Da habe ich mich in einer Semesterarbeit mit dem letzten Zug, der das Konzentrationslager Dachau aus Richtung Bordeaux erreicht hat, beschäftigt. So hat’s vor Jahren angefangen“, schmunzelte Bökel, der die Lernenden der WvO in den anschließenden 70 Minuten mitnahm auf eine informative historische Reise, die mit den ersten Tagen der deutschen Besatzung in Nordfrankreich begann und mit der Schilderung von Nachkriegskarrieren ehemaliger Nationalsozialisten in der Bundesrepublik endete.

So schilderte Bökel beispielsweise die Austragung der Französischen Leichtathletikmeisterschaft in Bordeaux im Sommer 1942, bei der viele der hoffnungsvollsten Athleten der „Grande Nation“ gar nicht erst antreten konnten, da sie sich längst in Deutschland befanden, um Zwangsarbeit zu leisten.

Die Informationen für sein Werk erhielt Bökel dabei zum einen aus dem aufwendigen Studium von Akten in Archiven und Bibliotheken, zum anderen durch Gespräche mit Zeitzeugen, die selbst einst in der Résistance mitgewirkt haben. „Da denke ich immer wieder an eine ganz besondere Zeitzeugin, die mir unwahrscheinlich viel erzählt hat. Sie war, als wir miteinander sprachen, schon über hundert Jahre alt, hatte aber nichts von ihrer Tatkraft  verloren. Sie war selbst Teil des Widerstandes, eine wirklich beeindruckende Frau“, so Bökel, dessen Arbeit auch unter Historikern Nachklang findet. Denn aufgrund seiner intensiven Betrachtung der Person Hans Luther, eines ehemaligen Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes im besetzten Bordeaux, konnte Bökel beispielhaft ein Schlaglicht auf den Lebenslauf eines NSDAP-Funktionärs werfen, der auch in der neugegründeten Bundesrepublik in Amt und Würden kam. So wurde Luther, der in seiner Zeit in Frankreich nachweislich auf eigene Verantwortung hin Juden verlegen und erschießen ließ, Anfang der 1950er Jahre Richter am Landgericht Limburg und promovierte darüber hinaus sogar. Thema: Der französische Widerstand gegen die deutschen Besatzer und ihre Bekämpfung. „Darin legitimiert Luther die Erschießungen französischer Geißeln, um so die Mitglieder der deutschen Wehrmacht vor den Übergriffen der Résistance zu schützen. Die Judentransporte, die er verantwortet hat, werden dabei nur am Rande erwähnt“, so Bökel, der betont, dass auch Luthers Doktorvater der Universität Marburg, Professor Erich Schwinge, vormals in NS-Straftaten verwickelt gewesen sei.

Im Nachgang beantwortete der Wahlfranzose noch mehrere Fragen aus dem Plenum – nicht ohne den Schülerinnen und Schülern abschließend mit auf den Weg zu geben, „immer kritisch zu sein und die Dinge zu hinterfragen, die man euch vorgibt“



2023
copyright Text: Nico Hartung, WvO
copyright Foto: Nico Hartung, WvO
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